Erlebnisberichte
体験記

So, hier gibt es dann einige Erfahrungsberichte, á Kasten ein Bericht...


 
 

    Dieser Bericht wurde von Claudia Grünbaum erstellt und uns aus Japan gemailt.

    Frau Grünbaum absolviert ein japanisches Schuljahr und berichtet darüber.

     

     

    Das Leben in Japan

     

    Im September 2006 bewarb ich mich bei der Austauschorganisation AFS.

    AFS (American Field Serviece )ist eine weltweite gemeinnützige Organisation, die das Ziel hat, jungen Menschen die Moeglichkeit zu geben, ein Jahr im Ausland zu leben.

    Durch diesen Austausch soll man nicht nur ein Verstaendniss fuer eine fremde Kultur entwickeln, sondern auch gleichzeitig seine eigene Kultur repraesentieren. Nach einem Auswahltreffen, bei dem getestet wurde, ob man fuer das Leben in einem anderen Land geeigntet ist, folgten noch viele andere Vorbereitungstreffen. Schon seit laengerem beschaeftigte ich mich mit Japan und seiner Kultur.

    Der Traum einmal nach Japan zu reisen, schien mehr als unerreichbar, doch am 20. Maerz 2007 ist er Wirklichkeit geworden.. Nach einer kurzen japanbezogenen Vorbereitung, in der mir und den anderen 20 Austauschschueler letzte Tipps und Verhaltensmassnahmen erklaert wurden, begann das ¡°Abenteuer Japan¡±.

    Eine Reise, voller Aufregeung, Neugier, Freude und sogleich auch Ungewissheit. Nach einem Flug von Frankfurt aus, ueber Kopenhagen sind wir nach 12 Stunden endlich am Flughafen in Tokyo Narita angekommen. Dort verbrachten wir zusammen mit vielen anderen Austauschschuelern aus der ganzen Welt, vier Tage in einem Hotel in Osaka, damit wir nicht gleich einen Kulturschock bekommen.

    In diesem Arrival Camp merkte man sofort, dass die japanische Kultur so ganz anders ist, als die unsere. Am ersten Abend sind wir in ein traditioenlles japanisches Bad gegangen, ein so gennantes ¡°Ofuro¡±. Ein Ofuro ist ein Gemeinschaftsbad, in dem man bestimmte Regeln beachten muss. Bevor man in das Badebecken steigt, duscht man sich sitztend auf einem kleinen Hocker vor einem Spiegel ab. Dabei muss man beachten, dass kein Schaum in das Gemeinschaftsbecken kommt, da es von allen Badegaesten genutzt wird. Man sollte jedoch aufpassen, moeglichst lautlos in das etwa 60_70 Grad heisse Wasser zu steigen, da man ansonsten vorwurfsvolle Blicke von den japanischen Badegaesten einfangen koennte. Als Nicht Japaner kann man sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum Japaner gerne gemeinsam baden. Ich konnte es mir zum Anfang auch nicht vorstellen, doch wenn man soetwas merhmals gemacht hat, kann es tatsaechlich fast Spass machen.

    In den ersten paar Tagen sind mir vor allem die elektronischen Geraete aufgefallen. Man konnte sie kaum uebersehen und vor allem nicht ueberhoeren. In Japan spricht naemlich alles, was mit Technik und Elektronik zu tun hat. Es gibt z.B. Fahrstuehle, die einem auf Japanisch einen schoenen Guten Tag wuenschten. Die Computerdame sagte weiterhin, dass die Tuer gerade geoeffnet oder geschlossen wird und in welcher Etage man sich gerade befinden. Sogar die Verkehrsampeln sagen -Guten Tag- und weissen daraufhin, dass es gerade gruen oder rot ist. Zum Schluss bedanken sie sich auch noch, dass man die Ampel benutzt hat. Ein etwas eindrucksvolleres Phaenomen, das zwar nicht sprechen kann, aber umso mehr Funktionen hat, sind die Toiletten. Allein eine normale Familientoilette hat mindestens 12 Knoepfe mit den verschiedensten Funktionen. Angefangen von der Temperatur der Klobrille bis hin zu den verschiedesten Hintergrundgraeuschen.

    Bevor man die Toilette betritt muss man auch noch in bereitstehende Pantoffeln schluepfen. Neben der Hightechtoilette gibt es noch eine einfache, die traditionelle japanische Toilette. Dabei handelt es sich aber nur um eine Art Hocktoilette.

     

     

    Das Warten auf unsere Gastfamilie hatte sich nach den 4 Tagen nun langsam aufgedraengt. Am 24.03 empfing mich meine Gastfamilien am Bahnhof in der Prefaektur Tottori. Mit einer herzlichen Begruessung war ich nun ein Mitglied der Familie Tokunaga. Wir haben uns vom ersten Tag an sehr gut verstanden und ebenso gab es mit der Verstaendigung keine Probleme. Wir kommunizieren mit Haenden und Fuessen, mit Englisch und von meiner Seite mit ein paar Brocken Japanisch. Durch ihre offene und hilfsbereite Art konnte ich mich in den zwei Wochen Ferien auch sehr schnell in die japanische Gesellschaft einleben und erlebte deswegen auch noch keinen Kulturschock. Obwohl ich durch meine laengere Beschaeftigung mit Japan und den sehr guten Vorbereitungen meiner Austauschorganisation, auf die japanische Kultur eingestellt war, hatte die Schule jedoch noch viele Ueberraschungen uebrig.

     



     

    Am 09. April war mein erster Schultag an der Higashi-Senior Highschool in Tottori. Mit einem Gefuehl aus Freude und Aufregung betrat ich die hisige Turnhalle, in der ich vor der versammelten Schueler-und Lehrerschaft eine kurze Rede auf Japanisch halten sollte. Die mittlerweile eingeschlafenen Schueler, die anfangs der militaerisch anmutigenden Einfuehrungsrede des Direktoers zugehoert hatten, waren nun alle hellwach, als ich auf der Buehne stand. Als Auslaender bringt man eine gewisse Beruehmtheit mit sich. Vor allem, wenn man auch noch blonde Haare und blaue Augen hat. Ich verbringe dieses Schuljahr, zusammen mit weiteren 40 Schuelern, in der 2.Klasse der Oberstufe. In Japan sind 40 bis 50 Schueler in einer Klasse Normalfall. Die ganze Schule ist einer mit der groessten Unterschiede zu Deutschland. Der Erste und wohl am auffallendeste Unterschied ist die Schuluniform. In Japan ist an jeder Schule Schuluniformpflicht und jeder hat bestimmte Regeln zu befolgen. Die Schueler duerfen nur eine bestimmte Haarlaenge haben, man darf sich weder schminken, die Fingernaegel lackieren, die Haare faerben, noch auffaellige Zopfhalter oder Schmuck Meine Schuluniform besteht aus einem blauen Faltenrock, einem blauen Blazer, einer Art Krawatte und einer weissen Bluse.

    So wie es in ganz Japan schuhfreie und nicht-schuhfreie Zonen gibt, ist auch die Schule eine schuhfreie Zone. Bevor man die Schule betritt, muss man die Schuhe ausziehen und in die mit Namen versehenen Slipper, die in kleinen Boxen am Eingang stehen, schluepfen. Die Schueler laufen in nicht gerade angenehmen Plastikslappen umherlaufen, wobei die Leher ihre privaten flauschigen Pantoffeln anhaben. Ein grosser Unterschied zwischen einer deutschen und einer japanischen Schule ist auch der Ablauf des Unterrichts. Bevor die Stunde beginnt, begruesst der Klassensprecher den Lehrer. Danach folgt eine mehr oder weniger elanvolle Verbeugung, die den Unterricht beginnt. Eine Unterrichtsstunde in Japan geht 50 Minuten lang, in der sich die Schueler zwar so gut wie nie melden, aber dafuer erholsame Minuten des Schlafes finden. Schlafen ist im Unterricht erlaubt, jedoch muss man den versaeumten Stoff aufholen, da man bis zum naehsten Tag alles eins zu eins auswendig koennen muss. Ein sehr wichtiger Bestandteil der Schule sind auch die sogenannten Club-activities. Meine Schule bietet eine grosse Bandbreite davon an. Unter anderem auch die traditionellen Sportarten Kendo (Schwertfechten) und Kyudo (Bogenschiessen). Die Club-activities sind eine erholsame und schoene Abwechslung zum harten Schulalltag. Es ist unglaublich, wie schnell die Zeit, in der ich hier in Japan bin, umgeht. Ich bin auf jeden Fall gespannt, was mich in naehster Zeit noch alles erwarten wird und ich freue mich auf meine weiteren 9 Monate hier in Japan.

     

    Claudia Grünbaum, 30.05.2007

Quelle: http://www.auslandserfahrungen.de/


 

„Kon´nichi wa” aus Tokyo!

Austausch in Japan

Also Japan ist echt ein lustiges Land. Bei meiner Gastfamilie im Bad hängt der Spiegel so tief, dass ich mein Gesicht nicht sehen kann, beim Essen haben die immer ganz viele kleine Sachen, die alle durcheinander gegessen werden und ... sie sind wirklich so verrückt nach „Hello Kitty”. Aber total viele Sachen sind auch ganz anders als das Bild von Japan ist. Man findet hier viele krasse Gegensätze. Einerseits sind die Japaner untereinander sehr formell (wenn ich zum Beispiel in meiner Schule mit Lehrern spreche, muss ich bestimmte Höflichkeitsformeln benutzen), andererseits wird man hier super in eine Familie aufgenommen und auch unter Freunden geht es total locker zu.

Auch optisch gibt es große Gegensätze. Alt und neu sind hier oft vermischt. Man sieht traditionelle Häuser neben modernen oder zum Beispiel ein heiliges shintoistisches Tor hinter dem ein Getränkeautomat für Cola, Pocari Sweat, Grünen Tee und Säfte steht. Ach ja, Grüner Tee. Die Japaner lieben echt Tee, sie trinken den nicht nur warm, wie wir es kennen, sondern sie kaufen den überall kalt in Plastikflaschen, wie bei uns Cola. Kalter „Grüner Tee” ist gewöhnungsbedürftig! Wie viele andere Essenssachen auch. Die Geschmacksnerven sind hier irgendwie anders. Meinen Freunden schmecken Sachen, die ich total heftig finde, aber Sachen die mir schmecken, mögen die oft nicht.Zu Süßes zum Beispiel.

Also wenn man sich an das Essen gewöhnt hat, ist es echt super hier. Gerade in Tokyo. Ich liebe diese Stadt, sie ist so vielfältig, chaotisch und faszinierend, dass einem eigentlich kaum langweilig werden kann. Als ich vor mehr als zwei Monaten hier angekommen bin (mein Gott so lange schon!), waren erst mal Ferien und ich hab ziemlich viel mit meiner Gastfamilie gemacht. Zum Beispiel Tempel und heiße Quellen besichtigt und in Tokyo Disneyland gewesen. Oder aber ich war zu Hause hab Japanisch gelernt (das ist echt wichtig) und Fernsehen geguckt. Das Programm besteht meistens aus irgendwelchen Shows, in denen berühmte japanische Musikstars oder Comedians auftreten, immer irgendwas gegessen und dann beurteilt wird und verrückte Sachen gemacht werden. Japanische Filme sind oft Dramen, teilweise ein bisschen fantasymässig. Wie die Mangas auch. Die sind schon beliebt, auch bei jungen Leuten, aber in der Schule verboten, so dass ich davon noch nicht so viel mitbekommen hab. Tja, Schule. Ich bin an einer ziemlich strengen Mädchenschule gelandet, was mich erstmal voll geschockt hat. Aber so schlimm ist es auch wieder nicht. Ich muss ne ziemlich merkwürdige Schuluniform tragen, aber die Leute sind auch nicht viel anders als in Deutschland. Jeder versucht das Beste draus zu machen. Der Rock wird so weit hochgekrempelt, dass er wie ein Minirock aussieht, viele schminken sich so, dass die Lehrer es nicht sehen (schminken ist auch verboten) und sehen in der Freizeit gar nicht lieb und brav aus, so wie es die Schule gerne hätte. Wir haben halt Montag bis Samstag immer ziemlich lange Schule, also wenig Zeit für anderes. Aber das Schulleben ist recht interessant. Ich hab ziemlich viele Freistunden und nach der Schule manchmal noch Kendo-Club. Kendo ist eine Kampfkunst der Samurai, bei der man mit einem Schwert versucht den Gegner zu treffen (wir haben natürlich Schutzkleidung an und kämpfen mit einem Bambusschwert). Und gerade bin ich von einer Klassenfahrt nach Kyushu (die südlichste der vier großen japanischen Inseln) zurückgekommen, bei der ich gemerkt hab, dass auch manche Lehrer ganz locker sind. Jetzt bin ich verdammt müde, da wir natürlich kaum geschlafen haben - wie bei Klassenfahrten in Deutschland auch - und ziemlich viel Programm hatten. Was für mich natürlich ziemlich interessant war. Ich liebe die japanische Kultur und es ist echt faszinierend, dass ich jetzt wirklich in Japan bin und so viel sehen darf. Auf Kyushu sind wir nach Nagasaki gefahren, wo die zweite Atombombe fiel und haben uns das alles angeguckt. Sehr schlimm, gerade weil eine Frau uns ihre Geschichte erzählt hat. Sie war damals 6 Jahre alt und es muss echt die Hölle gewesen sein. Im „Atombombenmuseum” kann eine Uhr sehen die genau zu der Zeit der Explosion stehen geblieben ist - beklemmend! Nagasaki hat ansonsten viel westlichen Einfluss, weil es der einzigste Hafen war, der offen für ausländische Schiffe war, als Japan sich von der Aussenwelt isolierte. Es gibt eine holländische Stadt als Art Themenpark und ich hab zum ersten Mal alte englische Kleidung getragen.

In Japan! Die Klassenfahrt war ziemlich gut organisiert, super Hotels, Busguides und genaue Zeiteinteilung. Aber natürlich auch Freizeit. Dabei hab ich mal mitbekommen, wie die japanische Jugend so ist. Eigentlichmachen die so die selben Sachen wie wir. Fernsehen, quatschen, Musik hören, shoppen.

Aber mit abends weggehen und Party machen - das ist für viele total fremd. Es gibt in dem Alter auch noch gar keine Möglichkeiten, in Clubs zu kommen, und die meisten sind nicht länger als bis 22 Uhr abends weg (liegt aber auch an den Bahnen). Das heißt nicht, dass die japanische Jugend langweilig wäre (was ich erst gedacht hab).

Sie suchen sich ihre Interessen und Freunde so aus, dass ihnen nicht langweilig wird. Freunde werden meistens in der Schule gemacht oder andere Aktivitäten und Hobbies. Einfach mal so Leute kennen zu lernen, gibt es hier kaum. Und da ich an einer Mädchenschule bin, haben die meisten kaum Kontakt zu Jungs, geschweige denn einen „Boyfriend”. Es ist in Japan allgemein nicht so üblich, in dem Alter einen festen Freund zu haben, und schon gar nicht, mit einem Jungen geschlafen zu haben. Als ich ein paar Leuten von der deutschen Jugend erzählt habe, waren die erstmal richtig geschockt. WAS, ihr dürft Alkohol drinken, in Clubs gehen und die meisten haben einen festen Freund?” ..... Tja, jetzt bin ich wieder im großen, vollgestopften Tokyo und werde ab Dienstag viel für die Schule machen müssen. Ich krieg einige Hausaufgaben in Mathe, Physik und Chemie (oft auf Japanisch) und muss jeden Tag „Kumon” lernen - ein sehr populäres Lernprogramm für Japanisch. Da in meiner Schule bald Tests sind, werde ich vielleicht auch den Englisch, Mathe und Physik Test machen. Mein Englisch wird hier nicht gerade gefördert, aber es gibt ein paaramerikanische Lehrer an der Schule... Ich will wenn ich zurück bin auf jeden Fall den Englisch-Leistungkurs machen. Und nicht wiederholen! Ansonsten werd ich hier wohl öfter mal shoppen gehen (Tokyo ist echt ein Shoppingparadise, aber das Geld geht irgendwie verdammt schnell weg) oder ins Kino gehen. Mit dem Kendo-Club in der Schule hab ich mir auch schon so ein Art Hobby aufgebaut und vielleicht werd ich noch irgendwas mit Tanzen machen. Ich hab nämlich endlich mal ein paar Leute in meiner Schule gefunden, die Hip-Hop und R'n B mögen und Usher, Sean Paul, Beyonce, Outkast etc. kennen. Die meisten stehen eher auf japanischen Pop oder Rock, oder Boybands wie Natural, Busted oder Backstreet Boys. Das hat mich echt geschockt. Die gibt es doch gar nicht mehr, oder?So über das Leben als Austauschschüler. In eine total fremde Kultur zu kommen, ist echt nicht easy. Von einem Tag zum anderen wird man aus seinem normalen Leben gerissen und in ein total Neues gesetzt. Die erste Woche hatte ich noch ein paar YFU Leute um mich, die ich aus Deutschland kannte, aber dann kommt man in eine total fremde Familie in einer total fremden Umgebung - und soll hier ein Zuhause, ein normales Leben für ein Jahr aufbauen! Das schien mir am Anfang fast unmöglich zu sein. Weil ich erst mal natürlich die Sprache nicht verstanden hab, was ich in Deutschland gelernt habe, war einfach zu wenig, und es ist nochmal was ganz anderes, wenn die schnell sprechen. Manchmal hab ich mich schon ein bisschen einsam und verloren gefühlt. Aber die Familie hat mich immer super eingebunden, so dass ich mich schnell zuhause gefühlt habe. Aber ich kannte halt sonst kaum Leute, was echt ziemlich hart ist. Durch die Schule hab ich jetzt ne Menge Kontakt zu anderen Leuten und baue mir ein Leben wie in Deutschland auf - wenn auch ein bisschen anders. Da es hier so viel zu entdecken und zu machen gibt wird es mir bestimmt nicht langweilig werden. In den Sommerferien werd ich ein YFU-Camp haben, nach Nigata (an der Westküste Japans) fahren und ansonsten Freunde treffen. Ich merke wie ich an den Aufgaben und Situationen wachse und werde versuchen in diesem Austauschjahr so viel wie möglich zu machen und alles zu geniessen! Also dann.

Viele Grüsse aus Japan, Maria !

Quelle: http://www.max-planck-gymnasium.gg.he.schule.de/


 

Japan 2003

 
 
 

13. Juli 2003; Japanische Höflichkeiten und verkappte Kriegsveteranen

Liebe Leute,

ich weiß, dass es die meisten Leute nicht sehr schätzen, auf groß angelegten Mailinglisten zu landen. Trotzdem erlaube ich mir, Euch wieder von meinen Reisen zu berichten, zumal ich bereits Zuschriften bekommen habe und gefragt wurde, wo denn meine Berichte blieben. Hier kommt also der erste. Da ich jedoch niemanden vollmüllen möchte, steht es natürlich jedem offen, sich wieder vom Verteiler wegnehmen zu lassen. Hier also mein erstes Mail:

"Bitte halten Sie Ihre Papiere bereit", steht in bunten digitalen Lettern groß über der Immigrationbox. Dann folgen ein paar schöne Kanjis (chinesische Schriftzeichen), die mich sogleich frustrieren. Habe ich nun doch ein Jahr lang die Sprache gelehrt und verstehe noch immer nicht, ob ich nun meinen neuen, bunten Pass dem Beamten entgegenstrecken muss oder ob ich irgendwo die so genannte Alien Registration Card (die übrigens wegen ihrer durchaus dubiosen Namensgebung vor allem bei Langzeitaufenthaltern oft als rassistisch empfunden wird) suchen gehen und ausfüllen muss. Schließlich stellt sich heraus, dass ich bloß ein kurzes Papier ausfüllen muss. Die dubiose Karte scheint abgeschafft worden zu sein, wenngleich mir Einwanderungsbehörde noch immer sehr xenophob vorkommt. Der Beamte schaut auf meinen Laptop und fragt, ob ich einen Businesstrip mache. Die Antwort, dass ich Tourist sei, hatte er wohl kaum erwartet. Er ließ mich trotzdem passieren, stempelte mir aber nicht die gewünschte Maximalaufenthaltsdauer in den Pass. Danach werde ich abgetastet, ob ich nicht Waffen aus dem Flugzeug (!) nach Japan schmuggle…

Weiter geht’s im Land des freundlichen Hightech-Fimmels: Please watch your step! empfiehlt mir das Laufband am Flugplatz. Ich bin natürlich über diese Warnung so sehr überrascht, dass ich am Ende des Laufbandes trotzdem über die Schwelle stolpere. Weiter vorne, hinter dem Ticketautomaten, höre ich bereits die Schranke zu U-Bahn: konnichi wa! ruft sie mir entgegen, und ich bin erstaunt, dass sie sich nicht verneigt. Mit der U-Bahn geht’s unter Tokyo durch. Bestens mit den Anzeigetafeln im Zug unterhalten. Irgendwann erreiche ich schließlich Higashiyamato City, einen kleinen Vorort von Tokyo.

Nach meinem Anruf, kommt Mio unverzüglich zur Station geradelt. Ich freue mich, sie wieder zu sehen. Aber was ist denn das? Wieso kommt die gute Frau den mit dem Fahrrad, wo ich doch gesagt habe, dass ich eine Menge Gepäck habe. „Kein Problem“, meint sie, nimmt den schweren, rollbaren Koffer in die Hand, setzt sich auf den Gepäckträger und ermuntert mich, so loszufahren. Natürlich komme ich mir ein bisschen albern vor, wie wir zu zweit auf dem Velo, einen Koffer hinter sich herziehend, durch die Großstadt radeln. Aber die Seitenstrassen sind erstaunlich leer und der Koffer ließ sich relativ gut ziehen. Ich war erstaunt, dass er kein einziges Mal kippte…

 Seither wohne ich bei Mios Familie, wobei ich von den Leuten sehr wenig sehe. Bisher haben wir vor allem organisatorische Dinge erledigt und die nähere Umgebung erkundet, denn das Wetter ist zu schlecht, um weit weg zu gehen.

 Heute wurden wir schließlich von ein paar Freunden von Mio zum Mittagessen eingeladen. Es waren drei Schulfreunde zugegen, und der offizielle Grund war, dass einer davon seine neue Freundin vorstellen wollte. Irgendwie hatte ich aber das Gefühl, dass es genauso darum ging, mich ein wenig rumzuzeigen. Es gab „japanische“ Spaghetti, fein säuberlich in vier Teller mit unterschiedlichen Saucen angerichtet, aus denen man sich eine Portion in ein kleines Schälchen abzweigen konnte. Während ich mich noch bemühe, die Dinger ins Schälchen zu bekommen, schlürft es neben mir schon: offenbar schmecken Nudeln nicht nur in China besser, wenn man sie unappetitlich isst… und aus der anderen Ecke höre ich bereits wieder das freundliche Hightech-Japan: der kleine, zweijährige Junge, der noch nicht einmal richtig sprechen kann, soll, wenn es nach der ehrgeizigen Mutter geht, bereits lesen lernen. Dazu hat sie ihm ein kleines Gerät gegeben, das jedes Mal, wenn er ein japanisches Zeichen drückt, ihm die Aussprache des Zeichens vorsagt.

 Nach dem Essen verabschieden wir uns von dem kleinen Intellektuellen, seiner Familie und deren Freunden und entschließen uns in einem nahe gelegenen Tempel noch ein bisschen Kultur zu sehen. Dort gab es einen Umzug mit Tanz und Verkleideten Mönchen. Doch das war selber gar nicht so interessant, vielmehr war spannend, dass der Tempel den Millionen japanischen Kriegstoten geweiht war, die in den Kriegen seit der gewaltsamen Öffnung des Landes vor rund 150 Jahren fielen. Dieser Tempel dürfte wohl einer der umstrittensten Japans sein, zumal dort auch die Leichen von anerkannten Kriegsverbrechern liegen. Vor allem Koreaner, deren Land unter den japanischen Aggressionen früher wohl am meisten zu leiden hatte, empören sich darüber. Vielleicht auch zu Recht, denn auch das nebenan liegende Kriegsmuseum, scheint (ich kann das allerdings nicht wirklich beurteilen, weil ich das Museum nicht besuchte, sondern nur die Exponate im Vestibül betrachtete) durchaus keine sehr differenzierte Geschichtsanalyse zu bieten. Auf keinem der Ausstellungsschilder distanzierten sich die Macher von den Geschehnissen – und immerhin waren manche Ausstellungsgegenstände durchaus delikat: beispielsweise ein Flugzeug, wie es beim Angriff auf Pearl Harbour verwendet wurde… Mio meinte dazu nur: „right wing!“ und vermutlich ist es eine einfache, aber sehr treffende Aussage. Offenbar ist Japan mehr als nur höflich…

 In dem Sinne verneige ich mich und wünsche Euch einen schönen Tag,

Oliver

 

25. Juli 2003; motorisierte Normen und parkierende Rundreisen

 

Liebe Freunde,

langsam ist es wieder an der Zeit, mich wieder einmal aus dem verregneten Japan zu melden. Ich befinde mich nun nach einer längeren Rundreise wieder in Tokyo.

Vor einer Woche sind wir mit Mios Auto losgefahren. Zuerst durch Nagano, dann auf die schöne Nato-Halbinsel und schließlich wieder zurück. Wir genossen die Freiheit der Strasse, um es ein bisschen pathetisch auszudrücken. Ich genoss die schöne Landschaft und die Möglichkeit an jedem Ort in dem kleinen Nissan Pao übernachten zu können, während es Mio eher danach drängte, alles aus den 997ccm rauszuholen. Zugegen, diese beiden Arten der Freiheiten stehen durchaus ein bisschen im Widerspruch zu einander. Entsprechend sah ich stellenweise doch eher wenig von der Gegend, wenn Mio mit hundert Sachen durch die 40er Zone bretterne. Das klingt nun zwar recht kriminell, ist aber nicht wirklich gefährlich (außer dass die hohen Geldstrafen einen finanziell ruinieren können), da in Japan die Geschwindigkeitsbegrenzungen lächerlich niedrig sind. Überland mit 40 auf großen breiten Strassen ist wirklich nicht realistisch... Nunja, wir wollen uns hier weder weiter mit unseren Verkehrssünden befassen, noch eine Abhandlung über das japanische Verkehrsverhalten halten; wenngleich mir gewisse Dinge auch hier sehr erwähnenswert erscheinen, da sie nicht nur bloß über die Straßenverhältnisse berichten, sondern einen tieferen Einblick in meine ersten Eindrücke in die "japanische Volksseele" erlauben. Ich erlaube mir daher verschiedene Beispiele zu erzählen, um daraus hinaus eine Essenz bilden zu können.

Dabei ist nicht so wesentlich, dass es ein starkes Stadt-Landgefälle gibt, welches darauf zurück zu führen ist, dass in den Städten die Polizei viel präsenter als auf dem Land ist. Dieses Gefälle kennen wir ja schon aus der Schweiz. Viel spannender ist, dass der ganze Verkehr absolut idiotensicher geleitet wird: bei jeder Baustelle gibt es neben einer Ampel noch Leute, die mit roten oder weißen Fahnen winken, um zu zeigen, dass man wirklich fahren darf; bei den Parkplätzen ist oft jemand da, der einem zeigt, wo man genau parken darf und einen dann noch mit Handzeichen einweist. Man könnte meinen, die Leute können nicht gut fahren…

Das gleiche zeigt sich aber auch bei Besichtigungen von touristischen Anlagen. Als ich das sehenswerte Schloss von Matsumoto besuchte, durfte ich mit all den anderen Japanern, meine Schuhe im Plastiksack in der Hand haltend, durch das Schloss schlürfen, einer hinter dem anderen. Es gab keine Möglichkeit zur Alternative: ich musste mir das ganze Schloss ansehen und zwar in der Reihenfolge, wie sie mir vorgegeben wurde. Zugegeben, alles ist gut und klug ausgedacht und vermutlich konnte ich auf diesem Weg am rationalsten alle Räume sehen. Aber die Möglichkeit, dass ich vielleicht lieber eine andere Reihenfolge genommen hätte, wurde bei der Planung einfach übersehen. Das gleiche übrigens auch bei U-Bahnen. Ich fand es noch nirgends so schwierig, schwarz zu fahren wie in Tokyo: wenn man in den Zug einsteigt, kann man irgend ein Ticket kaufen und beim Verlassen des Zielbahnhofes, einfach den richtigen Betrag in speziellen "Fare adjustment mashines" nachzahlen. Tut man dies nicht, geht die Türe mit einem Knall zu und sofort sind ein paar freundliche Bahnhofsvorsteher da, um zu erklären, was der richtige Tarif gewesen wäre, und um die fehlenden Yen einzukassieren. Wenn die Türe zugeht, wird man von den Eisenbähnlern durchaus nicht als Betrüger dargestellt, sondern es wird einem vielmehr geholfen, sich normkonform zu verhalten.

Ich glaube, dass sich daraus bis zu einem gewissen Grad auch die überraschende Stärke der japanschen Volkswirtschaft erklären lässt. Ich kenne mich hier zwar zu wenig aus, aber obwohl offenbar das Schreckgespinst der Deflation die Nachfrage schon seit Jahren drückt, geht es trotzdem den meisten Menschen hier noch recht gut. (Nunja, dieser Eindruck mag auch trügen. Wenn man beispielsweise Freunde zu Hause besucht, stellt man oft fest, dass sie zwar über ein gutes Einkommen verfügen, aber sehr spartanisch hausen. Heute besuchte ich einen Bekannten, den ich vor Jahren in BKK kennen gelernt hatte. Er veranstaltete zusammen mit Sanae und anderen eine Party für mich. Er wohnt in einer 5 Tatami Wohnung. Das entspricht schätzungsweise etwa 8 Quadratmetern.) Der französische Gelehrte Foucault würde hier wohl feststellen, dass durch ein System einer sehr starken Normierung der Gesellschaft eine hohe Produktivität erreicht wird... Aber das nur so als Randbemerkung.

Doch wo bleibt nach all diesen Randbemerkungen denn nun der Haupttext? Nunja, um den zu schreiben bin ich nun zu müde. Aber der kommt bestimmt bald und wird vielleicht die einen oder anderen sehr überraschen...

Also bis bald,

Oliver

Quelle: http://www.zipr.ch/oliboli/Traveller/Japan/




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